Auf der Suche nach einem verlorenen Schloss

 

ORTSGESCHICHTE Vor 200 Jahren kaufte ein Bonner Dachdecker das ehemalige kurfürstliche Jagdschloss Herzogsfreude in Bonn-Röttgen auf Abbruch. Das prachtvolle Anwesen war niemals bewohnt worden - Von Barbara Hausmanns

 

Der Kupferstich zeigt Herzogsfreude mit der nach Bonn ausgerichteten Ehrenhofseite.
Er stammt von Metz/Mettely, um 1755, wird heute im Schloss Augustusburg, Brühl, aufbewahrt.

 

Es muss das Geschäft seines Lebens gewesen sein in jenem Sommer des Jahres 1804. Als am 18. Plairal des Jahres 12 (7. Juni 1804) der Hammer des Auktionators zum letzten Mal fällt, ist der Bonner Dachdecker Peter Lander zwar um 3550 Francs leichter, aber gleichzeitig um ein ganzes Schloss reicher. Rund 50 Jahre nach Baubeginn kauft der einfache Handwerker das ehemalige kurfürstliche Jagdschloss Herzogsfreude in Bonn-Röttgen. Doch häuslich niederlassen will Peter Lander sich gewiss nicht im letzten und größten Schlossbau des Kölner Kurfürsten Clemens August (1700-1761). Er erwirbt "les restes du chateau des Roetgen" - wie das amtliche Verkaufsprotokoll vermerkt - auf Abbruch, um es Stein für Stein abzutragen und weiter zu veräußern.
Für den ideellen Wert der Anlage hatte der Dachdecker vermutlich keinerlei Sinn, aber den materiellen Gehalt des Schlosses erkannte er zutreffend. Zehntausende von Feldbrandziegeln, wertvolle Bodenbeläge, das Kupfer des Daches oder die Bleirohre ließen sich hervorragend verkaufen und auf eine satte Rendite hoffen.
Die Beendigung der alten Herrschaftsverhältnisse in den deutschen Landen gehörte ebenso wie die Säkularisierung und der Ausverkauf des früheren kurfürstlichen Besitzes zu den mittelfristigen Folgen der Französischen Revolution des Jahres 1789. Als fünf Jahre nach dem Sturm auf die Bastille die Revolutionstruppen den damals nur mäßig begeisterten Bonner Bürgern im Oktober 1794 die Ideale von Liberté, Fraternité und Egalité verkünden, hat sich der letzte kölnische Kurfürst Max Franz bereits wenige Tage zuvor von seiner Residenz verabschiedet. Er verstirbt dann 1801 im Exil. Das erspart ihm die oft nur am reinen Materialwert orientierte Verwertung der ehemals kurfürstlichen Besitztümer mitzuerleben. Bis auf das am Rhein gelegene Lustschlösschen Vinea Domini gehen alle kurfürstlichen Schlösser Bonns in den Besitz des französischen Staates über.
Das nahe der Augustusburg in Brühl gelegene, von seinem Erbauer Kurfürst Clemens August so geliebte Jagdschloss Falkenlust bleibt dabei nur knapp nach dem Verkauf an einen Spekulanten vom Abriss verschont. Allein dem Bemühen des frühen Kölner Denkmalpflegers Sulpiz Boiserée ist es zu verdanken, dass dieses Anwesen in den privaten Besitz des Diplomaten Karl Friedrich Reinhard wechselt und so der Nachwelt erhalten geblieben ist. Boisserée bedauerte ausdrücklich, dass ihm dieses Kunststück bei Schloss Herzogsfreude nicht gelungen ist. Doch die Zeiten waren für größere kurfürstliche Behausungen eher schlecht. Wer hatte schon in diesen Tagen wirklich Verwendung für ein Schloss, dessen Hauptgebäude allein schon eine Fassadenlänge von 70 Metern mit 19 Fensterachsen aufwies, und in dessen Saal- und Raumfluchten eigentlich auch nie jemand richtig gewohnt hatte.


 

Kurfürst Clemens August

 

Dabei hatte alles einmal so schön angefangen: Clemens August, der passionierte Jäger und unermüdliche Bauherr, ließ schon wenige Jahre nach seinem Amtsantritt den Kottenforst ab 1727 vermessen, um dort das bis heute erhaltene Schneisensystem anlegen zu lassen. Dieser ehemals fränkische Königswald, den er besonders als an Beute reiches Jagdrevier schätzte, eignete sich hervorragend für die Parforcejagd und sollte entsprechend ausgebaut werden. Knapp drei Jahrzehnte später war die sternförmige Anlage der großen Alleen fertiggestellt. Die heute vielfach geteerten Wege trafen in der Mitte des Dörfchens Röttgen zusammen, wo sich seit 1753 Erstaunliches tat. Als beherrschende Mitte seines Schneisensystems ließ der Kölner Kurfürst nämlich endlich - nach Jahrzehnten emsiger Planung und klammer Schatullen - Schloss Herzogsfreude im Herzen des Kottenforsts errichten.
Die alten Röttgener mögen den Trubel im Dorf mit gemischten Gefühlen betrachtet haben, da der hochadlige Bauherr mit dem Selbstverständnis des absoluten Herrschers keinerlei Rücksicht auf die vorhandene dörfliche Infrastruktur nahm. So legte er den Hauptbau quer über den traditionellen Verbindungsweg von Meckenheim nach Röttgen. Doch auf der anderen Seite gab es vom Baubeginn an jede Menge Arbeitsplätze, so zum Beispiel als Tagelöhner in der vermutlich direkt vor Ort eingerichteten Feldbrandziegelei.
Spannend wird für die Dörfler auch die Präsenz zahlreicher Handwerker und Künstler gewesen sein, von denen etliche im Ort Quartier bezogen. So ist für die erste Hälfte des Jahres 1754 die Zahl von 1400 Werkleuten überliefert, die mit Arbeiten an der Bonner Residenz und eben Schloss Herzogsfreude beschäftigt sind.
Clemens August ließ es sich nicht nehmen, die Baustelle mitten im Kottenforst regelmäßig zu besuchen, um sich ein Bild vom Fortgang der Arbeiten zu machen. Und was er sah, wird ihm Freude gemacht haben. Unter Leitung und Planung des Jungarchitekten Johann Heinrich Roth entstand eine klassische Maison-de-Plaisance, ein an französischen Vorbildern orientiertes "Lustschloss auf dem Lande". Die riesige dreiflügelige Anlage öffnete sich mit dem Ehrenhof nach Bonn. Der sogenannte Corps-de-Logis (Mitteltrakt) wurde von einem Kupferdach mit Aussichtsbalkon bekrönt. Von dort sollten die Damen des Hofes herangaloppierende Jagdgesellschaften beobachten können. Auch wenn der gewählte Baustil eigentlich ein wenig überholt war und nach dem damaligen Zeitgeist als eher unmodern gelten musste, wurde das zurückhaltend schlichte Äußere des Schlosses von seiner glanzvollen Innenausstattung mit wertvollen Wandvertäfelungen, Freskenmalereien sowie reichen Gemälde- und Porzellanbeständen weit übertroffen.
Das schlug sich auch auf der Kostenseite nieder. Als Clemens August, der im unruhigen Europa nie Kriege geführt, sondern sein Geld in die Anlage herausragender Schlösser und ausgedehnter Gartenanlagen gesteckt hatte, im Jahr 1761 überraschend stirbt, hatte der Bau von Herzogsfreude ungefähr 130 000 Taler - und das ohne die Innenausstattung - verschlungen. Teile der wertvollen Innenausstattung wie Holzvertäfelungen und Kamine wurden bald nach Clemens Augusts Tod nach Brühl geschafft, um in der Hauptraumfolge des Südflügels der Augustusburg ihre Verwendung zu finden. Das jähe Ende des Kurfürsten bedeutet auch das Aus für "Joie-de-Duc". Es wurde nie bewohnt, und wurde auch nie Schauplatz einer der glanzvollen Jagden, für die es erdacht worden war.
Nach dem Verkauf an Peter Lander vor 200 Jahren wurde die Anlage bald zur ausgeschlachteten Ruine und schließlich völlig bis auf zwei heute noch erhaltene Kellergewölbe vernichtet. Es ist überliefert, dass Steine zum Schlossbau in Düsseldorf verwendet worden sind, anderes Abbruchmaterial ging nach Wesel und vieles wurde sicher auch in der Region verkauft. Geblieben ist die fürstlich-barocke Inspiration des Kottenforstes durch das Jagdschloss Herzogsfreude; eine Prägung, die sich bis heute erhalten hat und auch in unseren bürgerlichen Zeiten das Waldgebiet auf besondere Weise "adelt".

 

Hinweis:

Der Artikel wurde im General-Anzeiger Bonn (GA) in der Ausgabe vom 11./12. September 2004 veröffentlicht. Der Verlag hat dem Abdruck des Artikels auf dieser Homepage freundlicherweise zugestimmt. Der Artikel kann auch im Originalformat hier (pdf-Datei) sowie kostenpflichtig von der Homepage des GA (GA-Plus  ->  GA-Archiv  ->  Suche nach dem Stichwort "Herzogsfreude"; Kosten: 1 Euro) abgerufen werden.

 

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